Und wer denkt an die Kinder?

[Es geht um Kinderpornographie im Internet]

Etwas anders sieht es mit Inhalten auf ausländischen Servern aus: Hier tritt das Bundeskriminalamt aus Achtung vor der Souveränität der Staaten als deutsche Polizeibehörde nicht direkt an die in diesen Staaten ansässigen host-provider heran, sondern informiert die jeweiligen Polizeibehörden über die dafür vorgesehenen internationalen Organisationen. Dieser Weg nimmt einige Zeit in Anspruch.

Martina Krogmann, CDU, MdB

Eine meines Erachtens völlig falsch verstandene Achtung vor der Souveränität eines Staates ist dem BKA also wichtiger als das Leiden der Kinder, das Frau von der Leyen doch immer so plakativ anprangert.

Einen interessanten Bericht dazu gibt’s beim Arbeitskreis Zensur.

Kann man sich noch effektiver selbst demontieren?

Im Bericht des AK wird eine Studie der Universität Cambridge zitiert:

The long lifetimes of websites hosting child sexual abuse images is particularly striking. In spite of a robust legal framework and a global consensus on the content’s repulsion, these websites are removed much slower than any other type of content being actively taken down for which we have gathered data. An average lifetime of 719 hours is over 150 times slower than phishing websites hosted on free web-hosting and compromised machines. Since we are not privy to the hosting method used by child sexual abuse image websites, we do not know whether sophisticated techniques, such as those employed by the rock-phish gang, are used. Even here, the take-down time is around 10 times slower than for phishing.

Das gibt auf den ersten Blick den Sperrbefürwortern recht, es ist langwierig, Kinderporno-Seiten aus dem Netz zu bekommen. Der Grund dafür ist allerdings schnell gefunden: Der Bank ist die Achtung vor der Souveränität fremder Staaten völlig egal, die wollen die Seite aus dem Netz haben.

The IWF told us that they would be “treading on other people’s toes” if they contacted ISPs outside the UK, and that they “are not permitted or authorised to issue notices to takedown content to anyone outside the UK”. The defamed, the rights holders, the banks, the takedown companies and the various groups of volunteers just do not think this way.

Willkommen in der Wirklichkeit

Ab und an löschen die Betreiber der diversen social-community-Plattformen Profile. Studi-VZ hat im Februar zweimal das Profil der SPD-Gruppe gelöscht und jetzt hat es den wer-kennt-wen-Account eines angehenden Mainzer Lokalpolitikers getroffen, der sang- und klanglos gelöscht wurde.

Das mag man bedauerlich finden und von mir aus auch noch skandalös, aber seine Vergleiche

Um es klar auszusprechen: Solche Methoden sind aus nicht-rechtsstaatlichen Systemen
bekannt. Inwiefern glauben Sie, sich von der chinesischen Internetzensur unterscheiden zu
können?

passen irgendwie nicht. Falls ihm wer-kennt-wen nicht antwortet, darf ich vielleicht mal.

In einem Fall maßt sich der Staat an, welche Webseiten der Benutzer zu sehen bekommt, im anderen Fall löscht ein Portalbetreiber auf seinem Server ein kostenlos zur Verfügung gestelltes Profil.

Vielleicht nimmt sich der junge Mann mit dem gelöschten Profil ein Herz und lässt gerichtlich klären welcher Art Verhältnis denn zwischen ihm und dem Social-Community-Server-Betreiber besteht und welche Rechte sich daraus für ihn ergeben.

Verletzung von Grundrechten

Das Bundesverfassungsgericht hatte mal wieder über eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung eines Grundrechts des Beschwerdeführers aus Artikel 13 zu entscheiden (das ist der mit der Unverletzlichkeit der Wohnung).

Über eine blosse Genugtuungsfunktion geht das Urteil nicht hinaus, es bleibt sowohl für die ermittelnden Polizisten als auch gegen den Staatsanwalt, den genehmigenden Richter und die Richter des Landgerichts, die nichts rechtswidriges in der Durchsuchungsanordnung erkennen konnten, folgenlos.

Ob sich im bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz irgendwas ändert, dass die Ansicht vertreten hatte, die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet, darf mehr als bezweifelt werden.

Wenn man sich durchliest, auf welchen „Anfangsverdacht“ sich die Polizisten und die Staatsanwaltschaft gestützt haben, kann einem schlecht werden.

Aus der Entscheidung:

Die angegriffenen Beschlüsse genügen jedenfalls nicht den Anforderungen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an die Wohnungsdurchsuchung stellt. Da sich die Verdachtsgründe im Grenzbereich zu vagen Anhaltspunkten oder bloßen Vermutungen bewegten und der konkrete Sachverhalt nicht eindeutig ein strafbares Verhalten erkennen ließ, konnte das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen. Vor der Anordnung einer in die Grundrechte des Beschwerdeführers schwerwiegend eingreifenden Durchsuchung wären andere grundrechtsschonendere Ermittlungsschritte vorzunehmen gewesen, um den allenfalls geringen Tatverdacht zu erhärten oder zu zerstreuen. Es hätte zunächst von der Ermittlungsbehörde geprüft werden können, ob die von dem Anzeigeerstatter vorgelegten Bildschirmkopien authentisch waren und die Links tatsächlich auf urheberrechtlich geschützte Werke verwiesen.

Auf lawblog gibt es die Geschichte aus Sicht der Verteidigung.

Über das Online-Formular der Polizei meldet ein besorgter Bürger, im Internetforum D. gebe es einige Beiträge mit Links zu Rapidshare. Da seien wohl Filme dahinter. Screenshots der Links fügt er bei.

Die Polizei sieht sich außerstande, das Forum selbst zu überprüfen. Denn die Polizei ist kein registrierter Nutzer. Eine Registrierung unter “Hans Wurst” schlägt fehl, weil der zuständige Beamte nicht begreift, dass er den Link in der Bestätigungsmail anklicken muss.

Ich war wählen wegen youtube

oder StudiVZ, meinVZ, facebook, twitter, XING und wie sie alle heissen.

Welcher Prozentsatz könnte nach einer Wahl da wahrheitsgemäß „JA“ ankreuzen, welcher Prozentsatz hat seine Parteipräferenz gewechselt, nachdem er auf die Internetaktivitäten der Parteien gestossen ist?

Netzpolitik hat die 4. Kurzstudie „Politik im Web 2.0“ veröffentlicht, von der ich nicht weiss, was ich von ihr halten soll.

Eines wird allerdings deutlich. Die Anzahl von Mitgliedern, Followern, Freunden, Verlinkungen, Videoaufrufen und was es dergleichen sonst noch alles gibt im web 2.0 liegt maximal im mittleren vierstelligen Bereich. Das sind dann bei knapp 62 Millionen Wahlberechtigten ca. 1 Promille. Klingt nicht nach riesig viel. Wenn man dann noch alle raussortiert, die bereits parteilich organisiert waren, bevor sie auf die unterschiedlichen Plattformen gestossen sind und jene, die nur Aktionen des politischen Gegners beobachten, dann bleibt vermutlich irgendwas dreistelliges übrig.

Ich komme zugegebenermaßen aus einer völlig apolitischen Generation (Jahrgang 1973) und ich habe nur an einer kleinen Provinz-FH (Offenburg)studiert. Aber mir sind zwischen meinem 20sten und meinem 30sten Lebensjahr vielleicht 5 Menschen begegnet, die sich politisch engagiert haben und die ein gewisses „Sendungsbewusstsein“ an den Tag gelegt haben.

Da hat sich vielleicht was verändert, aber wenn ich mir anschaue, wieviele Menschen sich an Demos gegen die Vorratsdatenspeicherung beteiligen (so an die 200) und wieviele Menschen sich in klirrender Kälte die Liveübertragung des Dresdner Opernballs auf dem Theaterplatz angeschaut haben (etwa 3’500), dann glaube ich das eher nicht (Tim).

Um was geht es wirklich bei den Sperrlisten?

Kinderpornographie ist ein heikles Thema und ich ertappe mich dabei, dass die Schere im Kopf zuverlässig einsetzt, ist das Thema doch so emotional besetzt, dass man eigentlich nur verlieren kann, wenn man eine Meinung vertritt, die sich gegen die Einführung von Sperrlisten wendet.

Das ist von denjenigen, die sich dafür einsetzen durchaus auch gewollt, so kann man davon ablenken, wie wenig man tut, um das Problem an der Wurzel anzupacken.

In der Schweiz, Dänemark, Finnland und Schweden gibt es bereits Sperrlisten, die geheim (und trotzdem an die Öffentlichkeit gelangt) sind.

Im scusiblog kann man nachschauen, wo denn die Server stehen, die blockiert werden.

Sie stehen nicht in Ländern, in denen es keine geordnete Strafverfolgung gibt, sie stehen nicht in Ländern, in denen die religiösen Führer Ehen mit 10-jährigen Mädchen gutheissen, sie stehen zu über 90% in den USA, Australien, Deutschland, den Niederlanden und Kanada.

Da fragt man sich schon, warum man, wenn man denn wirklich den missbrauchten Kindern helfen will, nicht einfach strafrechtlich gegen die Quellen vorgeht.

Und wenn man dann feststellt, dass Server auf einer finnischen Sperrliste ein Jahr nach deren Erstellung immer noch online sind (und es nur einer Email an den Provider bedarf, dass die Seite abgeschaltet wird), dann fragt man sich noch mehr, wie denn die Zusammenarbeit in der Strafverfolgung in der EU funktioniert und warum das BKA keine Ermittlungen aufgenommen haben. Im Falle von Urheberrechtsverletzungen funktioniert das doch schon sehr gut.

Der Verein Carechild hat nach Bekanntwerden der dänischen Sperrliste einen Versuch unternommen und versucht 20 Seiten dieser Liste, die noch im Netz waren abzuklemmen. Nach bereits 1 Tag waren 16 dieser Seiten verschwunden. Deutsche Politiker und Strafverfolgungsbehörden, denen diese Liste ebenfalls schon viel länger bekannt waren, hatten nichts unternommen um die Seiten aus dem Netz zu bekommen. Dem Fazit von CareChild

Das Ergebnis ist beschämend für die Politik, insbesondere für Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Die Deutsche Sperrliste wird zu grossen Teilen identisch mit der Liste der anderen Länder sein, insbesondere was die Qualität der Seiten angeht. Das diese so leicht und mit derart geringem Aufwand aus dem Netz zu fegen sind, sollte nachdenklich stimmen.

ist eigentlich nichts hinzuzufügen, ausser den Fragen, die sich schon die alten Lateiner vor 2’000 Jahren gestellt haben:

cui bono?

Quis custodit custodes?