Ein bisschen Piratenpartei-Bashing

irgendwie muss ich ja die Zugriffszahlen steigern 🙂

Gemeinhin nimmt man an, dass sich Piraten als sogenannte „digital natives“ gut mit dem Internet auskennen.

Das kann ich nicht beurteilen. Was ich beurteilen kann ist, dass sich zumindest der Kreisverband Ravensburg-Bodenseekreis keinen Deut im Bereich Öffentlichkeitsarbeit im Internet auskennt.

Die Webseite http://wiki.piratenpartei.de/Kreisverband_Ravensburg-Bodenseekreis mag für den technikaffinen Piraten alles bieten, was er will. Ein wiki mit dem man vielleicht liquid democracy üben kann. Aber wehe man sucht als Nichteingeweihter irgendwas.

Zum Beispiel das Ergebnis der Nominierungsveranstaltungen zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg, die am 23.05.2010 stattgefunden hat (zumindest das findet sich auf der Webseite, wenn auch etwas versteckt).

Wenn man wissen will, wer denn in den einzelnen Wahlkreisen (Bodensee 67, Wangen 68 und Ravensburg 69) nächsten März vielleicht zur Wahl steht, (es gilt ja noch pro Wahlkreis 150 Unterstützer-Unterschriften zu sammeln) findet man nichts.

Einzig bei twitter habe ich einen einsamen Ravensburger Piraten gefunden, der die Ergebnisse zeitnah veröffentlicht hat, aber ob die stimmen? Die unbestätigten Namen der Kandidaten, die man auf der Seite des Landesverbandes findet, lauten nämlich grösstenteils anders und wenn ich dem Stand dieser Seite glauben darf, dann war die Aufstellungsversammlung in Meckenbeuren schon rum, als die Liste zum letzten Mal aktualisiert wurde.

Das bekommt selbst die ödp besser hin (und das ist keinesfalls despektierlich gemeint)

http://www.oedp-ravensburg.de/aktuelles/pressemitteilungen?mid=8285

Zahlenspielereien

In Baden-Württemberg sind am 27. März 2011 Landtagswahlen. Ich glaube ich habe das hier das ein oder andere Mal erwähnt 🙂

Die Umfragen, die man zu sehen bekommt (schön zusammengefasst bei wahlrecht.de), blenden die Nichtwähler ebenso aus, wie sie in den Diagrammen, die man am Wahlabend im Fernsehen sehen kann, fehlen.

Da die Nichtwähler meines Erachtens aber durchaus entscheidend sein können, habe ich mir erlaubt, die Ergebnisse der letzten 5 überregionalen Wahlen in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der Nichtwähler zusammenzustellen. Das ergibt dann folgendes Bild:

wahlergebnis-baden-wuerttemberg

(Wahlergebnisse in Baden-Württemberg)

welches auf folgenden Zahlen beruht:

EP 04 BTW 05 LTW 06 EP 09 BTW 09
Nichtwähler 48,8% 22,7% 47,3% 50,0% 27,6%
CDU 24,2% 30,3% 23,3% 19,4% 24,6%
SPD 10,0% 23,3% 13,3% 9,0% 13,8%
FDP 3,5% 9,2% 5,6% 7,0% 13,4%
Grüne 7,4% 8,3% 6,2% 7,5% 9,9%
Linke 0,6% 2,9% 1,6% 1,5% 5,1%
Sonstige 5,5% 3,3% 2,8% 5,6% 5,7%

Wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, dann bleibt wenig übrig von

Wir sind die einzige verbliebene Volkspartei.

Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag

Die einzige Partei, die sich in den letzten 25 Jahren von Wahl zu Wahl (bezogen auf die jeweiligen Parlamente) verbessert hat und 4 der letzten 5 Wahlen in Baden-Württemberg souverän gewonnen hat, ist die Partei der Nichtwähler.

In der Wahlbeteiligung gibt es große Unterschiede. Während bei Bundestagswahlen noch 3 von 4 Wahlberechtigten wählen, scheinen Wahlen zum Europa-Parlament und zum baden-württembergischen Landtag keinen so großen Stellenwert zu haben und locken nur noch 2 von 4 Wahlberechtigten an die Wahlurne. Das haben sie mit OB-Wahlen gemeinsam, wo auch oft nur die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne geht (Ravensburg 50,7%; Freiburg 45,2%; Böblingen 41,9%; Biberach 40,9%).

Wahlen werden zunehmend nicht mehr dadurch gewonnen, dass man Wähler des „gegnerischen Lagers“ überzeugt, bei dieser Wahl das Kreuz bei der eigenen Partei zu machen, sondern dadurch, dass man die eigenen Sympathisanten überzeugt, überhaupt wählen zu gehen.

Ein Vergleich zwischen der Europawahl im Juni 2009 und der Bundestagswahl im September 2009 zeigt die Steigerung der Wählerzahlen:

Partei
Erhöhung
der Wählerzahl
Stimmen 45%
CDU 27%
SPD 52%
FDP 90%
Grüne 32%
Linke 241%
Sonstige 2%

Natürlich gibt es mehrere Effekte, die eine direkte Vergleichbarkeit schwierig machen (z.B. die unterschiedliche Anzahl der abzugebenden Stimmen), aber wenn man es über mehrere Wahlen miteinander vergleicht, stellt man fest, dass die CDU unterdurchschnittlich von steigenden Wählerzahlen profitiert, aber auch unterdurchschnittlich unter sinkenden Wählerzahlen leidet.

Das hätte man natürlich auch rausfinden können, wenn man sich die Altersstruktur der CDU-Wähler anschaut. 44% aller CDU-Wählerinnen und Wähler waren über 60 Jahre alt. In dieser Altersgruppe herrscht in Bezug auf „Wählen ist Bürgerpflicht“ noch ein ganz anderes Selbstverständnis als in jüngeren Jahrgängen. [Aber dazu ein anderes Mal mehr].

Es geht ums Mobilisieren. Vor allem bei den kleinen Parteien, die maximal 22% ihrer Wählerschaft aus der Generation Ü60 gewinnen.

Wie bekomme ich bspw. als FDP die 13,8% der Wahlberechtigten, die am 27. September 2009 ihre Zweitstimme bei der FDP gemacht haben dazu, das auch eineinhalb Jahre später am 27. März 2011 bei der Landtagswahl zu tun (da natürlich nur eine Stimme).

Wenn die Grünen es schaffen, die 9,9% der Wahlberechtigten, die ihr bei der Bundestagswahl 2009 die Zweitstimme gegeben haben, auch bei der Landtagswahl 2011 zur Stimmabgabe zu motivieren, dann käme sie – wenn man die geringe Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen mitberücksichtigt – vermutlich in den Bereich von 20%. Auch die Linke hätte bei der Landtagswahl 2011 ein zweistelliges Ergebnis wenn es ihr gelänge, ihre Wähler von der Bundestagswahl 2009 wieder an die Urne zu bringen.

Wahlentscheidend ist vermutlich nicht „habe ich ein gute Programm“, wahlentscheidend ist vermutlich auch nicht „kann ich mein gutes Programm vermitteln“. Wahlentscheidend ist „bekomme ich meine potenziellen Wähler dazu, auch bei einer scheinbar unwichtigen Wahl wählen zu gehen“.

Aufgrund des baden-württembergischen Landtagswahlrechts, das auf Landeslisten verzichtet, bietet dieses Mobilisierungsproblem allerdings Kandidaten jeder Partei (abseits der CDU) die reelle Chance, einen Platz im Landtag zu erreichen.

Die CDU im Land verjüngt sich

Nachdem ich beim Stöbern im Internet über die Nominierung des 24-jährigen Felix Schreiner für die CDU im Wahlkreis Waldshut zur Landtagswahl 2011 gestolpert bin, hat mich ein weiterer junger CDU-Kandidat gar nicht mehr so erschreckt 🙂

Der 23-jährige Nikolas Löbel tritt im Wahlkreis Mannheim I an, den die CDU allerdings noch nie gewinnen konnte. Mannheim I ging bei den bisherigen Landtagswahlen immer an die SPD.

Da die CDU in den letzten Wahlen regelmäßig mehr Wahlkreisgewinner hatte, als ihr nach dem Stimmen-Verhältnis eigentlich Sitze zugestanden hätten, muss man als CDU-Kandidat einen Wahlkreis gewinnen, um in den Landtag zu kommen.

In Esslingen steht für die CDU Andreas Deuschle (Jahrgang 1978) auf dem Stimmzettel, in Mannheim II Claudius Kranz (Jahrgang 1975).

Ob es der CDU damit gelingen wird, die Altersstruktur ihrer Wählerschaft der Altersstruktur der Wahlberechtigten anzupassen, ist meines Erachtens zweifelhaft.

Die CDU ist diejenige Partei, die fast die Hälfte ihrer Wählerschaft aus der Generation Ü60 rekrutiert und bei der Generation U35 am schlechtesten abschneidet. Da die Generation Ü60 im Gegensatz zur Generation U35 aber wählen geht und die Generation Ü60 über ein Drittel aller Wahlberechtigten in Baden-Württemberg stellt, fällt das momentan noch nicht so auf.

Nominierungen zur Landtagswahl 2011

Zur Zeit nominieren die Parteien, die zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg antreten wollen, ihre jeweiligen Kandidaten.

Relativ unbeachtet von der Öffentlichkeit spielen sich Szenen ab, die irgendwo zwischen SED-Parteitag (1 Kandidat, Zustimmungsquoten von 99,x%) und echter Kampfabstimmung (kurz vor der Nominierung treten 140 Neu-Mitglieder ein, die dann auch alle zur Aufstellungsversammlung kommen) liegen.

Auch die Mitglieder-Präsenz bei den Abstimmungen unterliegt grossen Schwankungen. Während in einem Wahlkreis 17 stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren, die bequem ins Nebenzimmer einer Gaststätte gepasst haben, gab es Massenveranstaltungen in einer Sporthalle mit 544 Stimmberechtigten. Teilweise waren fast 50% aller Parteimitglieder des jeweiligen Wahlkreises anwesend, teilweise lag die Quote unter 15%.

Manch stimmberechtigtes Mitglied fühlte sich ein wenig von seinem Kreisvorstand überfahren, weil der eigene Wahlkreis für die eigene Partei einen relativ sicheren Einzug in den Landtag ermöglicht und dem Spitzenkandidaten für den Landtagswahlkampf sein alter Wahlkreis aufgrund der Wahlrechtsänderung zu unsicher schien und er deswegen wechselte.

In aller Regel sind amtierende MdL vor einer Abwahl gefeit, aber manchmal siegt dann doch ein Aussenseiter.

Da für alle Parteien ausser der CDU (bis auf ganz wenige Ausnahmen) nur der Weg über das Zweitmandat in den Landtag führt (bei der letzten Landtagswahl kamen 69 von 70 Nicht-CDUlern über den Verhältnisausgleich in den Landtag) und man dort mit den Parteifreunden aus dem eigenen Regierungspräsidium konkurriert, könnte das ganze am 27. März 2011 relativ lange relativ spannend bleiben (wenn man sich für Politik interessiert. Für andere ist die Landtagswahl vermutlich so spannend wie für mich DSDS, GNTM …).

  • Vertreibt ein Newcomer einen (dann Ex-)MdL?
  • Wieviele Überhang- und Ausgleichsmandate produziert die CDU?
  • Gelingt einem grünen Kandidaten der Gewinn eines Direktmandats (evtl. Freiburg II, Stuttgart I, Heidelberg)?
  • Wie stimmt Stuttgart ab? (Die Frage klingt nur solange komisch, bis man sich die dortigen Ergebnisse von 2009 zum Gemeinderat und zur Regionalversammlung anschaut).
  • Gelingt der Linken der Sprung in den Landtag? (Was nicht ganz unwahrscheinlich ist, bei der Bundestagswahl 2009 hatte sie 7,2% der Zweitstimmen in Baden-Württemberg).
  • Sinkt die Wahlbeteiligung unter 50%, verschlimmert sich die Wahlabstinenz der jungen und mittelalten Wähler? (im Jahr 2006 erreichte nur die Gruppe der Ü50-Jährigen eine Wahlbeteiligung über 50%. In der Gruppe der U40-Jährigen gingen von 2,4 Millionen Wahlberechtigten gerade mal 911’000 (38%) wählen).

 

Für alle Parteien, die nicht im Landtag vertreten sind, beginnt nach der Nominierung dann noch die Jagd nach Unterstützerunterschriften. 150 pro Wahlkreis schreibt das Landeswahlgesetz vor. Mindestens 10’500 Unterstützer muss eine bisher nicht im Landtag vertretene Partei finden, die landesweit antreten will.

Das statistische Monatsheft

Manche Publikationen liegen ungerechter Weise im Schatten der großen Sau, die immer häufiger und immer schneller durch’s Dorf getrieben wird.

Eine davon (Publikation, nicht Sau) ist das statistische Monatsheft des statistischen Landesamts Baden-Württemberg, dessen April-Ausgabe gerade erschienen ist.

http://www.statistik-bw.de/Pressemitt/2010122.asp

Das Monatsheft ist elektronisch kostenlos verfügbar. In der aktuellen Ausgabe sind mir 3 Berichte aufgefallen, zu denen ich meinen Senf geben möchte:

Zum einen das Schaubild des Monats, auf dem man die Übergänge aus Grundschulen auf Gymnasien prozentual und nach Landkreisen getrennt aufgezeichnet hat.

2010041001

Quelle: http://www.statistik-bw.de/Veroeffentl/Monatshefte/PDF/Beitrag10_04_10.pdf

Ein paar Zitate aus dem zugehörigen Bericht:

So schwankten die Übergänge auf das Gymnasium zwischen 27,8 % im Hohenlohekreis und 58,2 % im Stadtkreis Heidelberg.

Ich bin mir sicher, dass man im Hohenlohekreis auf noch viel niedrigere Zahlen käme, wenn man die zwei Städte mit Gymnasium (Öhringen und Künzelsau) getrennt vom restlichen Landkreis betrachtete. Es scheint, als hätten wir in der Bildung ein Stadt/Land-Problem. Wenn man über obige Karte eine Karte mit den Bevölkerungsdichten legt, wird man keine grossen Unterschiede feststellen.

Diese großen Differenzen gehen aber nur zum Teil auf unterschiedliche Empfehlungen der Grundschulen zurück. Oft weichen auch die Elternwünsche von der Grundschulempfehlung ab.

Ich bin sicher nicht repräsentativ, aber aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich 4 Beispiele, die genau zu obigem Zitat passen. Die Begründungen der Eltern reichten von „wenn das Kind auf die Werkrealschule geht, muss es nicht mitten in der Nacht schon zum Bus“ bis hin zu „er hatte in der 4. Klasse einen Durchhänger, der fängt sich wieder und ohne Abi ist in der heutigen Zeit Hartz IV doch schon vorprogrammiert“

Ich konnte die jeweiligen – teilweise viel ausführlicheren – Begründungen nachvollziehen und habe als Vater glücklicherweise noch fast 3 Jahre Zeit mir zu überlegen, was ich denn machen würde, wenn die Grundschulempfehlung meiner Kinder nicht dem entspricht, was ich mir vorstelle/wünsche/erhoffe