der lange Schatten der Landtagswahl 2011

fällt langsam auf den Landkreis Ravensburg. Die CDU hat bereits beide Kandidaten für die Wahlkreise Ravensburg (Wahlkreis 69) und Wangen (WK 68) nominiert, die anderen Parteien werden in den nächsten Wochen folgen.

Das Wahlsystem habe ich hier ein bisschen näher erläutert. Welche Auswirkungen das auf die beiden Wahlkreise des Landkreises hat, folgt jetzt.

Da es keine Landeslisten gibt, entscheidet sich erst am Wahltag, wer für die jeweiligen Parteien die Ausgleichssitze besetzt, die sich aus dem Verhältnisausgleich auf Landesebene ergeben.

Bei der letzten Wahl standen dem Regierungspräsidium Tübingen folgende Landtagssitze zu:

CDU SPD FDP Grüne
11 5 2 3

Die Sitze der CDU waren schnell verteilt. Alle 11 Wahlkreisgewinner zogen in den Landtag ein. Für die anderen Parteien hätten sich (nach neuem Wahlrecht) folgende Zahlen ergeben:

Wahlkreis
SPD FDP Grüne
Reutlingen 60 24,00 % (3) 11,92 % (1) 14,79 % (4)
Hechingen-Münsigen 61 21,70 % (6) 10,91 % (3) 11,28 % (7)
Tübingen 62 21,96 % (5) 8,81 % (7) 22,12 % (1)
Balingen 63 26,20 % (1) 8,97 % (5) 5,47 % (11)
Ulm 64 24,42 % (2) 7,86 % (10) 17,47 % (2)
Ehingen 65 19,34 % (8) 8,32 % (8) 10,56 % (8)
Biberach 66 15,83 % (11) 8,26 % (9) 16,74 % (3)
Bodensee 67 22,52 % (4) 11,61 % (2) 14,44 % (5)
Wangen 68 16,40 % (10) 5,43 % (11) 9,97 % (9)
Ravensburg 69 19,46 % (7) 8,86 % (6) 12,94 % (6)
Sigmaringen 70 18,79 % (9) 10,37 % (4) 8,47 % (10)

Die grau unterlegten Wahlkreiskandidaten der jeweiligen Parteien haben einen Sitz im Landtag erreicht. Von den 11 Wahlkreisen entsenden 4 Wahlkreise 3 Abgeordnete, 2 Wahlkreise 2 Abgeordnete und 5 Wahlkreise 1 Abgeordneten.

Im Wahlkreis treten die Kandidaten gegeneinander an. Wenn es dann an das Verteilen der Sitze geht, treten die Wahlkreise im Regierungspräsidium gegeneinander an. Während manche Wahlkreise aufgrund ihrer Wählerstruktur (oder taktischer Wahl) stark in Stuttgart vertreten sind, ist das bei anderen – unter anderem Ravensburg und Wangen – nicht der Fall. Aber das kann man ja ändern 🙂

Das Pech, erfolgreich zu sein

In Baden-Württemberg stehen nächsten März Landtagswahlen an.

Aus diesem Grunde finden seit Anfang Februar in den einzelnen Wahlkreisen die Aufstellungsversammlungen der Parteien statt, in denen die Kandidaten nominiert werden.

Anders als in (vielen) anderen Bundesländern hat der baden-württembergische Wähler nur eine Stimme, mit der er seinen Wahlkreiskandidaten wählt. Eine Listenstimme (vergleichbar der Zweitstimme bei der Wahl zum Bundestag) gibt es nicht.

In Baden-Württemberg gewinnt die CDU fast alle Wahlkreise (das letzte Mal 69 von 70). Die Chancen für einen Nicht-CDU-Kandidaten, einen Wahlkreis zu gewinnen, stehen deshalb relativ schlecht. Aber zum Glück gibt es auf Landesebene einen Verhältnisausgleich. Wenn die FDP 11% der Stimmen bekommt, dann hat sie prinzipiell auch einen Anspruch auf 11% der Sitze.

In Baden-Württemberg gibt es keine Landeslisten der Parteien. Damit ist Baden-Württemberg ziemlich alleine in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen hat der Wähler zwar auch nur eine Stimme, aber der Verhältnisausgleich findet über eine Landesliste statt.

In Baden-Württemberg werden die Kandidaten für den Verhältnisausgleich über ihr Wahlergebnis in ihren Wahlkreisen bestimmt. Das bedeutet, dass es keine sicheren Plätze für Spitzenkandidaten gibt, sondern nur mehr oder minder aussichtsreiche Wahlkreise, in denen sie antreten können.

Das hat jetzt den SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2011 dazu gebracht, den Wahlkreis zu wechseln. Bisher trat Nils Schmid im Wahlkreis 09 – Nürtingen an. Der ist aber durch eine Änderung des Wahlgesetzes kein sicherer Wahlkreis für die SPD. Deshalb hat sich Herr Schmid in seiner Umgebung umgeschaut um einen Wahlkreis zu finden, der ihm höhere Chancen für den Einzug bietet. Und er ist fündig geworden. Der Wahlkreis 60 – Reutlingen ist aussichtsreicher.

Mit der Folge, dass der bisherige Abgeordnete, Rudolf Hausmann, der diesen Wahlkreis seit 1996 im Landtag vertritt, weichen muss.

Es geht mich natürlich überhaupt nichts an, wie andere Parteien ihre Kandidaten aufstellen, allerdings würde ich mir als Wähler in diesem Wahlkreis ein wenig verschaukelt vorkommen. Da macht ein Abgeordneter seinen Job (aus Sicht der Wähler) so gut, dass er zweimal wiedergewählt wird und als Dank bekommt man dann einen „Spitzen-„Kandidaten vor die Nase, bzw. auf den Stimmzettel gesetzt, der in der Landespolitik gross rauskommen will und vermutlich die Bedürfnisse und Wünsche des eigenen Wahlkreises eher als minderprioritär betrachtet.

Die SPD-Mitglieder des Wahlkreises Reutlingen (das sind die, die darüber bestimmen, wer in ihrem Wahlkreis für die SPD auf den Wahlzettel kommt) hat man vorher nicht gefragt, das läuft über die Kreisvorstände. Aber das wird sicher kein Problem. Als Vorstand macht man einfach ein bisschen Druck, dass es ja nicht sein kann, dass der Spitzenkandidat für den Landtagswahlkampf überhaupt nicht antritt und schon läuft das ganze.

Letzten Endes entscheiden die Wähler am 27. März 2011 im Wahlkreis Reutlingen, ob sie einen importierten SPD-Kandidaten unterstützen.

Ein wenig Lachen könnte ich mir vermutlich nicht verkneifen, wenn es der Nürtinger SPD-Kandidat dann schafft, der Reutlinger aber nicht.

Mal ganz davon abgesehen, dass ich einen Spitzenkandidaten, der sich selbst sowenig eigene Überzeugungskraft zugesteht, etwas seltsam finde. Es ist ja nicht so, dass Nürtingen eine SPD-Diaspora ist.

Landtagswahlen 2011 in Baden-Württemberg

Da man zur Erklärung des baden-württembergischen Landtagswahlrechts ein wenig länger braucht, fange ich jetzt schon mal an. In einer kleinen Reihe geht es um Dinge wie:

  • Die CDU hat 2006 gegenüber 2001 an Prozenten verloren und stellt trotzdem fast 10% mehr Abgeordnete (69 statt 63)
  • Die Zahl der gültigen Stimmen sank 2006 gegenüber 2001 um über 12% (von 4’530’763 auf 3’960’615), die Zahl der Abgeordneten stieg um 8,5% (von 128 auf 139).
  • Im Regierungspräsidium Karlsruhe hatte der letzte Grünen-Abgeordnete, der noch einen Platz im Landtag bekommen hat, 7’463 Stimmen, im Regierungspräsidium Tübingen hatten zwei Grünen-Kandidaten jeweils über 10’000 Stimmen und sind trotzdem gescheitert.
  • Den 11 Überhangmandaten der CDU stehen nur 8 Ausgleichsmandate der übrigen Parteien gegenüber (4x SPD, je 2x FDP und Grüne), obwohl die CDU 130’000 Stimmen weniger hatte als die 3 anderen Parteien.
  • Der Wahlkreis Weinheim (WK 39) stellt mit 59’320 Wählern 4 Abgeordnete, der Wahlkreis Ravensburg (WK 69) stellt mit 61’047 Wählern nur einen Abgeordneten.

Manche Dinge erscheinen erst dann verwunderlich, wenn man weiß, dass der Wähler in Baden-Württemberg nur eine Stimme hat (also jeder eine, nicht alle zusammen), dass es keine Landeslisten der Parteien gibt und die Erringung eines Mandats alleine von der (absoluten) Stimmenzahl abhängt, die ein Bewerber in einem Wahlkreis erhält (letzteres zumindest ändert sich zur nächsten Wahl).

Das spannende/ungerechte/seltsame am baden-württembergischen Landtagswahlrecht ist die Tatsache, dass man – bei gleichem Wählervotum – auf ganz unterschiedliche Resultate kommen kann.

  • Würde man die Ausgleichssitze (die aufgrund der CDU-Überhangs bei den Direktkandidaten entstanden sind) nicht auf Regierungspräsidumsebene berechnen, sondern auf Landesebene, hätten SPD, FDP und Grüne jeweils einen Sitz mehr erhalten.
  • Würde man die Zusatzmandate (also die Sitze, die den Parteien aufgrund des Stimmenverhältnisses zustehen) auf Landesebene verteilen und nicht auf Regierungspräsidiumsebene, kämen aus Karlsruhe nur 2 Grünen-Abgeordnete (statt 4) und aus Tübingen 5 Abgeordnete (statt 3). Dafür kämen aus Karlsruhe 2 SPD-Abgeordnete mehr, und aus Freiburg 2 weniger.
  • Hätte man statt nach d’Hondt nach Sainte-Laguë ausgewertet, hätten SPD und FDP im Regierungspräsidium Stuttgart jeweils einen Sitz mehr errungen.

Landtagswahlen 2006 in Baden-Württemberg

Es dauert noch ein bisschen, bis die Baden-Württemberger ihren neuen Landtag wählen dürfen, die ersten Parteien fangen allerdings schon mit der Aufstellung der Kandidaten an. Zeit, sich das letzte Ergebnis ein wenig genauer anzuschauen.

Bei der Landtagswahl am 26. März 2006 zum 14. Landtag von Baden-Württemberg waren 7.516.919 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger wahlberechtigt. Aktiv wahrgenommen wurde das Wahlrecht von 4.012.441 Menschen, was einer Wahlbeteiligung von 53,4% entspricht.

nichtwaehler

Aus den 23,26% der Wahlberechtigten, die sich für die CDU entschieden haben, wurden unter Wegfall der Nicht- und Ungültigwähler 44,2%

sonstige

Unter Nichtberücksichtigung der sonstigen Parteien, die an der 5%-Hürde gescheitert sind, konnte die CDU am Ende 49,6% der Sitze im Landtag für sich beanspruchen.

sitzverteilung

 

Das ganze funktioniert natürlich auch mit den anderen 3 Parteien, die den Sprung über die 5%-Hürde geschafft haben. Das Verhältnis von Wählerstimmen zu Wahlerfolg zeigt sich in folgendem Schaubild:

verhaeltnis

 

Nicht wählen zu gehen, ändert nichts an den bestehenden Verhältnissen im Landtag. Die Tatsache, dass im Vergleich zu 2001 über 9% weniger Menschen wählen gegangen sind, änderte nichts an der Anzahl der Landtagsabgeordneten, oder an den Zuwendungen, die die Parteien vom Staat in Form der Parteienfinanzierung erhalten.

  • Der 14. Landtag von Baden-Württemberg hat trotz sinkender Wahlbeteiligung 11 Landtagsabgeordnete mehr als der 13. Landtag.
  • Da die Parteienfinanzierung bei 240 Millionen EUR gedeckelt ist und diese Obergrenze jedes Jahr auch ausgeschöpft wird, bemerken die Bundesgeschäftsführer den Wählerschwund gar nicht in der Kasse.
  • Eine niedrige Wahlbeteiligung stärkt traditionell die Parteien, die ihre Wählerschaft mobilisieren können, was häufig auf Parteien an den demokratischen Rändern zutrifft.