Frauen, Wahlen und ketzerische Thesen

Das statistische Landesamt hat ein Presseheft veröffentlicht, in dem es um die „Präsenz von Frauen in den Kommunalparlamenten Baden-Württembergs“ geht.

In den Parlamenten sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert: In das Europäische Parlament wurden gut 30 % Frauen gewählt, in den Deutschen Bundestag rund 32 % und in den Landtag von Baden-Württemberg lediglich knapp 24 %. Besonders niedrig sind die Frauenanteile in den Gemeinderäten und den Kreistagen Baden-Württembergs (Anteil in Gemeinderäten 21 %, Anteil in Kreistagen 15 %)

Ohne jetzt wirklich Thesen aufstellen zu wollen:

Der Anteil an Frauen liegt in genau den Parlamenten am niedrigsten, in denen der Wähler nicht vorgefertigte Listen wählt, sondern sich seine Favoriten gezielt aus einem breiten Angebot der jeweils bevorzugten Partei herauspicken kann.

Als CDU-Wähler (der ich wirklich nicht bin), hatte ich bei der

  • Europawahl nur die Möglichkeit, die Landesliste zu wählen (mit einem Frauenanteil von 33% auf den vorderen Plätzen)
  • Landtagswahl nur die Möglichkeit, den männlichen CDU-Kandidaten auf dem Stimmzettel zu wählen
  • Bundestagswahl nur die Möglichkeit, den männlichen Direkt-CDU-Kandidaten zu wählen. Da die CDU in Baden-Württemberg nie mit Kandidaten von der Landesliste auffüllen darf, war’s das dann auch bei der Bundestagswahl.

Nur bei den Kommunalwahlen durfte ich mir aus dem CDU-Angebot einzelne Kandidaten herauspicken.

  • In der Stadt Ravensburg standen bei der CDU für den Gemeinderat insgesamt 9 Frauen auf der Liste, in den Gemeinderat zogen nur 2 ein, was einem Frauenanteil von 14% entspricht (gegenüber einem Kandidatinnenanteil von 25%).
  • Für den Kreistag standen im Wahlkreis Ravensburg 4 Frauen auf der CDU-Liste, gereicht hat es für keine.

Das Argument, dass Frauen nur auf schlechten Plätzen standen und deshalb nicht gewählt wurden, lässt sich beispielsweise im Wahlkreis Bad Waldsee widerlegen. Dort belegten Frauen die ersten beiden Plätze des Stimmzettels. Gereicht hat es dann bei der Wahl nur zu den chancenlosen Plätzen 5 und 7 auf der Ergebnisliste.

Angler, Fische und Würmer

Franziska Drohsel, die Frau, die beständig durch ihre großartigen Kenntnisse im Steuer- und Sozialabgabenrecht auffällt und nebenbei noch die Jugendorganisation einer Partei anführt, die in Baden-Württemberg mit dem Motto „let’s get stoned“ in den Bundestagswahlkampf zieht, hat der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben, und unter anderem gesagt:

Wenn die Mehrheit unsere Positionen nicht richtig findet, dann werden wir eben dafür kämpfen, dass sich das ändert.

Ich lass jetzt mal das Sprichwort mit dem Wurm, dem Angler und dem Fisch stecken und krame aufgrund eines Einwurfs des Interviewenden der Süddeutschen Zeitung

Den Einsatz für Opel haben bei der Europawahl nicht mal die Wählerinnen und Wähler an den Opel-Standorten gedankt. Dort liegt die SPD zum Teil noch weit unter ihrem schon schlechten Gesamtergebnis von knapp über 20 Prozent.

ein wenig in Joschka Fischers Vergangenheit.

Der hat es damals als Mitglied einer Betriebskampfgruppe bei Opel auch nicht geschafft, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass seine Positionen richtig sind und der revolutionäre Klassenkampf aufgenommen werden muss.

Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und neu sortiert

Schwarz-Gelb darf keine Mehrheit erhalten, weil die Ideologie, die uns in die Krise geführt hat, sicherlich nicht die Antwort auf die Krise sein kann.

Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister, SPD

[..] wurde Steinmeier am 7. Juli 1999 Chef des Bundeskanzleramtes. [..] Er wirkte meist als Manager im Hintergrund [..]. Zudem schrieb er grundlegende Strategiepapiere der SPD, wie:

  • Reform des Renten- und Gesundheitssystems im Dezember 2002
  • Agenda 2010 (Mitarbeit bei der Konzeption)

Er gehörte dem Steuerungskreis zur Umsetzung der Hartz-Reformen an und war an der Vorziehung der Steuerreform 2003 beteiligt.

Wikipedia

1998-2002 Rot-Grün
2002-2005 Rot-Grün
2005-2009 Schwarz-Rot

Regierungskoalitionen der letzten 11 Jahre

Das Regierungsprogramm der SPD

Die SPD hat am Wochenende ihr Wahlprogramm 2009-2013 verabschiedet, das auch schon allerorten diskutiert wird.

Ich pick mir jetzt mal ein paar Dinge raus, die meine Widerworte wecken.

Recht auf Nachholen eines Schulabschlusses für alle. Wir werden nicht hinnehmen, dass bis zu 80.000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr die Schule ohne einen Abschluss verlassen.

Ein im Grunde sehr löblicher Einfall, allein er kommt mindestens 20 Jahre zu spät und er ist in der nicht zuständigen Ebene angesiedelt.

Bildung ist in Deutschland vorrangig Ländersache (etwas, was ich teilweise zwar bedaure, aber es ist eben so).

Wenn man sich die Schulabbrecherquote nach Bundesland anschaut, dann kann zumindest ich kein klares Bild dahingehend erkennen, dass in sozialdemokratisch geführten Bundesländern die Quote dramatisch tiefer liegt als in Ländern ohne SPD-Beteiligung. Die geringste Schulabbrecherquote (und da kommt der Lokalpatriotismus wieder zum Vorschein) hat Baden-Württemberg.

Wir wollen ein durchlässiges Bildungssystem. Deshalb wollen wir die Möglichkeit für Berufsschülerinnen und -schüler schaffen, auch eine Fachhochschulreife zu erwerben. Darüber hinaus wollen wir die Möglichkeiten zu einem integrierten Fachhochschulstudium und einer beruflichen Ausbildung vergrößern.

Auch das ist Ländersache und in verschiedenen Bundesländern gibt es das schon (z.B. in Baden-Württemberg).

Kinder und Eltern fragen nicht, welche politische Ebene für ihre Bildung zuständig ist.

Sie könnten allerdings fragen, warum das ganze immer in Kleinkriegen ausartet und keiner auch nur einen Hauch seiner Kompetenzen abgeben will.

300 Euro Lohnsteuer-Bonus. Wir bieten allen 30 Millionen Lohnsteuerpflichtigen an, künftig per Postkarte an das Finanzamt auf die jährliche Einkommensteuererklärung verzichten zu können. Damit sich das für die Steuerzahler rechnet, erhalten Ehepaare einen Lohnsteuer-Bonus in Höhe von 600 Euro pro Jahr und Singles in Höhe von 300 Euro. Der Bonus entlastet alle, die ihn nutzen wollen und vereinfacht das Steuerverfahren.

Statt das System zu vereinfachen, damit die Menschen ihre Einkommensteuererklärung verstehen, wird weiße Salbe drübergeschmiert, die all jenen nicht hilft, die während des Jahres Lohnersatzleistungen bekommen haben, die einen Gehaltssprung gemacht haben, die Aufwendungen für die Kinderbetreuung hatten …

Irgendjemand muss diese 300/600 EUR bezahlen, die werden nicht vom SPD-Bundesvorstand zur Verfügung gestellt.

Besonders attraktiv ist diese Option für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen – so wird der Lohnsteuer-Bonus zu einem Ausgleich für die Sozialversicherungsbelastungen im (nahezu steuerfreien) Niedriglohnbereich.

Wenn ich das richtig verstehe, dann bekommt man den Bonus nicht bis zur Höhe der gezahlten Einkommensteuer, sondern auch dann 300 EUR, wenn man weniger oder gar keine Einkommensteuer gezahlt hat. Das wird zu Mitnahmeeffekten führen. Der einmalige Minijob bewirkt eine Lohnsteuerpflicht (auch wenn gar keine bezahlt wird). Nein, ich glaube nicht ganz an das Gute im Menschen wenn es um Steuern geht, dafür kenne ich zuviele.

Unser Einkommenssteuerrecht zementiert mit dem Ehegattensplitting und der Steuerklasse V die alten Rollenmuster.

Oh, das mit der Abschaffung der Lohnsteuerklasse V ist eine FDP-Forderung, den gewissenlosen marktradikalen Finanzhaien. Aber vermutlich dürfen selbst Haie ab und an einen guten Einfall haben 🙂

Mit der Einführung des so genannten „Faktorverfahrens“ ist ein erster Schritt für eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zwischen den Eheleuten erfolgt.

Da zitiere ich jetzt einfach mal Fachleute aus der Anhörung:

Christel Riedel vom Deutschen Frauenrat nannte das Faktorverfahren „viel zu kompliziert“. Sie bedauerte, dass es neben der Individualbesteuerung und dem Splittingverfahren noch eine weitere Variante geben soll. Viele Ehepaare würden durch das komplizierte Berechnungsverfahren in „tiefe Ratlosigkeit“ gestürzt.

Auch aus Sicht von Ulrike Spangenberg vom Deutschen Juristinnenbund führt das Verfahren weder zu mehr Transparenz bei den Eheleuten noch zu einer Vereinfachung des Steuerrechts. Auch wirke sich das Verfahren nur auf den monatlichen Lohnsteuerabzug aus, während beim Lohnsteuerjahresausgleich der Splittingvorteil wieder ins Gewicht falle. Anita Käding vom Bund der Steuerzahler hob auf den bürokratischen Aufwand ab und meinte, das Verfahren schüre die Hoffnung, man werde während des Jahres netto mehr ausgezahlt bekommen.

Mit dem Faktorverfahren müssen Ehepaare keinen einzigen Cent weniger Steuer bezahlen. Es ändert sich nur der Ort (weg vom Niedrigverdiener, hin zum Mehrverdiener), bzw. der Zeitpunkt (während des Jahres statt am Ende bzw. umgekehrt) der Steuerzahlung. Den einzigen – meines Erachtens wirklich guten – Vorschlag der Fachleute

[Anita Käding] riet wie Hartmut Schwab von der Bundesteuerberaterkammer dazu, sich bei Lohnersatzleistungen nicht mehr am Netto-, sondern am Bruttogehalt zu orientieren.

hat man wahrscheinlich überhört, vermutlich, weil der wirklich Geld kosten würde, statt nur ein wohliges Gefühl zu vermitteln.

Je höher das Einkommen ist, desto höher ist die Entlastung. Wir wollen daher die steuerliche Förderung stärker auf den Abzug von der Steuerschuld ausrichten, der für alle zu gleich hohen Entlastungen führt.

Das ist halt die Systematik, die dem gesamten deutschen Steuerrecht zugrundeliegt. Man wird anhand seiner finanziellen Leistungsfähigkeit besteuert. Das kann man ändern, aber ich bezweifle, dass das dann einfacher, gerechter oder transparenter würde.

Nehmen wir mal 2 Arbeitnehmer mit jeweils 30’000 EUR brutto an, die nebeneinander bei Ford an der Werkbank stehen. Der eine wohnt direkt neben dem Werkstor, der andere hat einen Arbeitsweg von 45 Kilometern. Momentan ist es so, dass der Staat davon ausgeht, dass die beiden nicht gleich leistungsfähig sind, weil der eine keine Ausgaben hat, um zum Arbeitsplatz zu kommen, der andere hingegen rund 3’500 EUR pro Jahr. Diese Ausgaben darf er von seinen Einnahmen abziehen, bevor die Steuer zuschlägt. Ich bekomme jetzt schon Angst, wenn ich mir überlege, was man daraus machen könnte.

Familie ist der Ort, wo Ehe und Partnerschaft gelebt werden, wo Ehe- und Lebenspartner vereinbaren, wie sie Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung aufteilen

Anscheinend machen sie das aber nicht so, wie sich das führende Sozialdemokraten vorstellen. Anders kann man sich die anderen Punkte von oben nicht erklären.

Parteienverdrossenheit?

Prof. Dr. Niedermayer von der FU Berlin gibt jedes Jahr eine Dokumentation über die Parteimitglieder in Deutschland heraus, die durchaus lesens- und anschauenswert ist.

2007 waren 2,01% der beitrittsberechtigten Bevölkerung Parteimitglieder, das ist verglichen mit den 3,32% im Jahr 1991 ein Rückgang um über 1/3. Im Vergleich zum Jahr 1980 hat sich der Anteil der Parteimitglieder halbiert.

Das lässt sich mit einem Blick in die Altersstruktur der beiden grossen Parteien recht gut erklären. Ohne jetzt völlig pietätlos wirken zu wollen, sterben CDU und SPD die Mitglieder weg, während von unten nichts nachrückt.

1990 lag der Anteil der Generation 60+ bei den Volksparteien noch unter 30% (CDU: 29,2%, SPD: 24,6%), im Jahr 2007 lag er nahe bei 50% (CDU: 48,0%, SPD: 46,7%). Der Anteil der U30-Generation ist im gleichen Zeitraum von ohnehin niedrigen Werten (CDU: 6,6%, SPD: 10,2%) nochmals abgesunken (CDU: 5,1%, SPD: 5,8%). Im Vergleich zu den 70er-Jahren hat sich der Anteil der U30-Mitglieder bei der CDU halbiert und ist bei der SPD gar auf 1/4 gefallen. Die sind vermutlich alle in der Partei geblieben und erhöhen jetzt so langsam den Ü60-Anteil. Der Anstieg in der SPD seit dem Jahr 2000 (von 4,4% auf 5,8%) ist vermutlich nicht einer vermehrten Attraktivität der SPD für junge Menschen zu verdanken sondern der allgemein sinkenden Anzahl an Parteimitgliedern (seit dem Jahr 2000 haben im Saldo annähernd 200’000 Menschen der SPD den Rücken gekehrt).

Einzig die beiden kleinen Parteien FDP und Grüne erfreuen sich eines Anteils der U30-Generation, der im zweistelligen Bereich liegt (FDP: 10,7%, Grüne: 13,3%).

Das ist vermutlich ein selbstverstärkender Effekt. Ortsvereine, in denen hauptsächlich alte Menschen (mit 40 Jahren Parteizugehörigkeit) sitzen, die das Sagen und mit der Lebenswirklichkeit von jungen Menschen oft nur wenig gemein haben, wirken vermutlich nicht sehr anziehend. Wenn dann noch bei der SPD dazukommt, dass sich die Parteispitze in den Zielen immer weiter von der Basis entfernt und man bei der CDU nur durch jahrelange Kärrnerarbeit in Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesverbänden nach oben kommt, braucht man vermutlich eine ganze Menge mehr Durchhaltevermögen, als es der jetzigen jungen Generation zu Eigen ist.

Vermutlich gibt es auch aktive Ortsverbände, die jungen Mitgliedern eine Chance zur Mitarbeit geben, die erkannt haben, dass das Schmoren im eigenen Saft zu nichts führt, aber ob das für den Grossteil gilt?

Und zum Abschluß noch eine persönliche Bemerkung:

Liebe CDU- und SPD-Führungsgremien,

es ist schön, wenn Ihr Euch jetzt der Dinge annehmt, die für jüngere Zielgruppen relevant sind (Paintball, „Killer“-Spiele, Internet). Ihr solltet nur noch ein wenig daran arbeiten, wie Eure Entscheidungen diesbezüglich ausfallen.