Sehr geehrter Herr Schmid

mit einigem Erstaunen habe ich Ihre Pressemitteilung zum Gutachten der Grünen-Landtagsfraktion bezüglich der Mitfinanzierung des Landes bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und Stuttgart21 gelesen.

Wer sich angesichts der Verlängerung der AKW-Laufzeiten ohne Beteiligung1 des Bundesrates zum Gralshüter der Verfassung aufschwingt, sollte nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, in der diese Verfassung ein anderes Vorgehen vorschreibt als man das selbst für genehm hält, alles über Bord schmeissen und mit den Wölfen heulen.

Ich weiss natürlich, dass alle politischen Parteien nur die Rosinen aus dem Grundgesetz picken und den verbleibenden Rest nach Gutdünken zerkrümeln. Auch der grünen Landtagsfraktion wäre die Beauftragung eines solchen Gutachtens inklusive Pressekonferenz nie eingefallen, wenn es gegen ein Projekt ginge, dem sie positiv gegenüber eingestellt sind.

Man sollte meines Erachtens aber trotzdem auf den Inhalt eingehen. Davon habe ich in Ihrer Pressemitteilung nichts gefunden.

Stattdessen lese ich folgende Sätze:

Gerade im Rheintal zeigt sich, dass das Land nur dann eine bessere und menschenwürdigere Planung der Schienenwege erreichen kann, wenn es sich an den Kosten der Bahn beteiligt.

[..]

Das Land kann ja wohl nicht auf diese Vorteile verzichten, nur weil die Grünen Stuttgart 21 und die Neubaustrecke verhindern wollen.

Mit ihrem letzten Satz haben sie recht. Es geht aber auch gar nicht darum, was die Grünen wollen. Es geht darum, was im Grundgesetz steht.

Art 104a I GG

Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.

Es gibt momentan 2 Gutachten (wovon leider nur eines öffentlich verfügbar ist), die die Frage der Verfassungskonformität der Mitfinanzierung unterschiedlich beurteilen. Das altbekannte: „2 Juristen, 3 Meinungen“ trifft auch auf diese Frage zu. Wenn ich ihre Charta zur Landtagswahl 2011 ernst nehmen soll

Wir führen einen Wahlkampf frei von Phrasen, künstlichen Bildwelten, Inszenierungen und sonstigen Reklametricks. Wer auf solche Mittel zurückgreift, betrachtet die Menschen als manipulierbare Masse – und damit als Stimmvieh

dann sollten Sie daran arbeiten, das Gutachten zu widerlegen und nicht mit blossen Phrasen darauf einzudreschen.

Wenn das Grundgesetz eine Mischfinanzierung verbietet und man evidente Vorteile in einer Mitfinanzierung von Bundesaufgaben sieht, sollte man versuchen das Grundgesetz zu ändern. Um mal ein wenig Horst Köhler zu zitieren:

Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für sein Vorhaben zu schaffen.

Der Artikel 104a GG steht ja erst seit 1969 im Grundgesetz. Man kann ihn auch wieder daraus entfernen.

Es gilt 2/3 des Bundestages und 2/3 des Bundesrates davon zu überzeugen, dass dieses Verbot2 im Grundgesetz überflüssig ist. Während das beim Bundestag vermutlich leichter gelingen wird, werden wohl im Bundesrat bei all den Ländern Schwierigkeiten bestehen, die die reale Befürchtung haben, von den reichen Ländern abgehängt zu werden, weil sie Bundesaufgaben nicht mitfinanzieren können, sondern auf die alleinige Finanzierung durch den Bund angewiesen sind.

  1. genauer: ohne Zustimmungspflicht. Beteiligt ist der bundesrat immer []
  2. an seiner generellen Existenz hat wohl auch der Pro-Gutachter keinen Zweifel []

Landtagswahlen in Baden-Württemberg – Und was ist mit der CDU?

Ich muss zugeben, dass die CDU in diesem Blog bei den Beiträgen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg bisher relativ selten vorgekommen ist.

Das liegt zum einen daran, dass es in Bezug auf die Mandate eigentlich relativ wenig zur CDU zu schreiben gibt. Wer ein Direktmandat holt (das waren im Jahr 2006 69 Kandidaten bei 70 Wahlkreisen) sitzt im Landtag, wer keines holt, bleibt draussen.

Auch wenn man sich die Wahlprognose von Ende Juli anschaut, ändert sich da relativ wenig. Zwar verliert die CDU ca. 7%, allerdings profitiert die SPD nicht davon, sondern die Grünen.

Wenn man sich den Abstand in den Wahlkreisen anschaut, dann waren die Grünen im Jahr 2006 nur in 3 Kreisen zweitstärkste Kraft.

In aller Regel liegt der Vorsprung des CDU-Kandidaten so deutlich vor dem Kandidaten der Grünen, dass sich auch unter der Voraussetzung, dass sich die Wahlprognose vom Juli nicht stark vom Wahlergebnis im März unterscheidet, nur geringe Änderungen ergeben.

Wenn ich jetzt wetten müsste, welche Wahlkreise nächstes Jahr an die Grünen gehen könnten, dann kämen folgende in Betracht (in Klammern der Vorsprung, den der CDU-Kandidat das letzte Mal vor den Grünen hatte)

  • Stuttgart I (7,53%)
  • Heidelberg (13,56%)
  • Freiburg II (6,13%)

In Anbetracht von Stuttgart 21 und der letzten Gemeinderatswahl könnte noch ein weiterer Stuttgarter Wahlkreis an die Grünen gehen, allerdings müsste man sich den Wahlkreiszuschnitt genauer anschauen, um sagen zu können, welcher.

Um die SPD-Anhänger, die diesen blog lesen nicht zu sehr zu enttäuschen, folgen jetzt noch die Wahlkreise, in denen die CDU weniger als 10% Vorsprung vor der SPD hatte und in denen ein Wahlerfolg für den SPD-Kandidaten aufgrund einer schwächelnden CDU zumindest möglich ist.

  • Stuttgart I (6,38%) –> geht aber eher an die Grünen
  • Stuttgart IV (8,30%)
  • Esslingen (8,72%)
  • Heidenheim (9,76%)
  • Karlsruhe I (8,27%)
  • Karlsruhe II (8,94%)
  • Mannheim II (9,24%)
  • Freiburg II (2,11%) –> geht aber eher an die Grünen
  • Lörrach (6,56%)

Das alles sind nur nackte Zahlen. Ein herausragender Kandidat, gleich welcher Partei wird daran vermutlich rütteln können.

Es geht um die Tendenz. Und die sieht meines Erachtens für die CDU trotz einer Prognose von nur 37% der Stimmen noch so aus, dass 85% aller Wahlkreise gewonnen werden.

Charta der SPD zur Landtwagswahl 2011

Die SPD hat zur Landtagswahl 2011 eine Charta herausgebracht, die ich ein wenig kommentieren möchte.

Unser Land und seine Menschen sind in vielem längst weiter, als unsere bisherige Regierung das erkennen will. Deshalb stehen wir für eine Politik, die erst mal zuhört, statt immer nur zu bestimmen. Für eine Politik, die Antworten gibt, statt Phrasen zu produzieren. Für ein soziales und modernes Baden-Württemberg.

Das mit dem Zuhören klappt ja zum Beispiel bei Stuttgart 21 schon ziemlich gut. Aber nach dem Zuhören kommt halt noch das Verstehen und das Umsetzen.


Dafür stehen unser Spitzenkandidat Nils Schmid, unsere Kandidatinnen und Kandidaten – aber auch unser gesamter Wahlkampf. Diese Charta definiert seinen Sinn und seinen Stil.

1. Weder führen wir einen plumpen Angriffs- noch einen beschönigenden Leistungsbilanzwahlkampf. Unser Landtagswahlkampf ist ein Substanzwahlkampf.

Wie war das noch gleich mit den Phrasen? Was ist denn bitteschön ein Substanzwahlkampf? Wenn man sich die Leistungsbilanz Baden-Württembergs und die letzten Wahlkampagnen der SPD anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass die SPD eingesehen hat, dass sie weder mit den Plakaten zum Thema Finanzhaie, Dumpiglöhne oder heisse Luft, noch mit einem Schlechtreden der Bilanz Baden-Württembergs punkten kann. Darum mal was neues. Substanz.


2. Anders als unsere politischen Gegner nehmen wir die Wählerinnen und Wähler ernst. Das heißt: Wir führen einen Wahlkampf frei von Phrasen, künstlichen Bildwelten, Inszenierungen und sonstigen Reklametricks. Wer auf solche Mittel zurückgreift, betrachtet die Menschen als manipulierbare Masse – und damit als Stimmvieh.

Das ist natürlich weit entfernt davon, ein plumper Angriffswahlkampf zu sein. Die anderen wollen nur die Stimme, die SPD will, ja was eigentlich?


3. Von uns wird es kein Werbemittel geben ohne Substanz. Kein Plakat, kein Spot ohne Botschaft und keine Botschaft ohne konkrete Erläuterung. Dafür erfinden wir die politischen drei Zeilen: verständlich und kompetent, aber wie gesagt phrasenfrei.

Da bin ich mal gespannt. Das bin ich wirklich. Dummerweise eignen sich Wahlplakate nicht so richtig dazu, eine Botschaft mit konkreter Erläuterung zu transportieren. Aber vielleicht geht ja die Werbeagentur neue Wege. Ich wäre erfreut, wenn sich die SPD-Plakate von dem Einheitsdauergrinsen der anderen Parteien unterscheiden würde.


4. Unser Wahlkampf ist Dialog. Auf den Straßen, an den Türen, im Internet, aber eben auch in unseren Plakaten und Anzeigen. Wir greifen auf, was die Menschen bewegt, und vermitteln dann unsere Haltung zu diesen Themen. Glaubwürdiger, vertrauenswürdiger, als es einzelne Schlagworte je könnten.

So sieht echter Dialog aus.


5. Unser Wahlkampf zeigt ausschließlich authentisches Bildmaterial aus Baden- Württemberg, das eigens dafür im Land fotografiert wird. Menschen und Szenerien, die nicht aus Bildkatalogen kommen, sondern aus dem echten Leben.

Das ist mir auch unheimlich wichtig. Authentisches Bildmaterial. Vielleicht wähle ich nächstes Jahr doch SPD.


6. Natürlich gilt das auch für unsere Kandidatinnen und Kandidaten. Sie sind die Gesichter der SPD. Berechnend lächelnde Politiker sind so durchschaubar wie solche mit Telefon am Ohr. Die SPD präsentiert in diesem Wahlkampf echte Persönlichkeiten und Charaktere.

Echte Persönlichkeiten, die so wenig Glauben an sich selbst haben, dass sie den Wahlkreis wechseln, um einen sicheren Platz im Landtag zu ergattern? Dass der Spitzenkandidat der SPD Nils Schmid von Nürtingen nach Reutlingen geflüchtet gewechselt ist, hat vermutlich gar nichts mit Berechnung zu tun.


7. Drei schwarze Löwen zieren das Wappen Baden- Württembergs. Einen leihen wir uns aus. Er steht für unseren Gestaltungsanspruch im Land.

Das habe ich jetzt nicht so ganz verstanden. Aber da die SPD ja keine Phrasen mehr produzieren will und jede Botschaft mit einer konkreten Erläuterung versieht (siehe Punkt 2 und 3), bin ich vermutlich einfach nur zu dumm, das mit den Löwen, dem Ausleihen und dem Gestaltungsanspruch zu verstehen.


8. Für den Wahlkampf starten wir eine spezielle Website, die für interessierte Bürger konzipiert wird und nicht aus der Innensicht einer Partei heraus. Unser Zentrum für echte Dialoge mit den Menschen – mit den überzeugten und mit den noch nicht überzeugten. Unsere Adresse lautet deshalb „www.WarumSPD.de“.

Ich bin gespannt.


9. Wir wollen nicht nur einen anderen Stil in der Politik im Land, wir setzen ihn auch in unserem Wahlkampf um. Die Menschen in Baden-Württemberg werden dies honorieren. Denn wir sind die Einzigen, die ihnen mit Substanz begegnen – also mit Respekt.

Ich verstehe es nicht. Aber wenn die Sozis die einzigen sind, die mir mit Substanz und Respekt begegnen, dann wähle ich sie nächsten März.


Ganz sicher.


Kein Scheiss.


Echt jetzt.


Wirklich.


np: fettes Brot – können diese Augen lügen

Fussball, Christian Ude und CBL

In Mannheim veranstaltet die SPD momentan einen Kommunalkongress, über den im SPD-blog berichtet wird.

Da mein Kommentar dort (aus welchen Gründen auch immer) nicht freigeschaltet wird, schreibe ich es einfach hier rein.

Im Fussball sieht man die Geste, dass ein Spieler, der gerade ein Foul begangen hat, völlig unschuldig die Arme ausbreitet, die Hände hebt und die Schultern hochzieht, zu Genüge (zum Beispiel hier).

Im SPD-Blog durfte ich von Christian Ude die Entsprechung dieser Geste in der Politik lesen:

Die SPD-Fraktionen in den Kommunen sollten vor jedes geschlossene Schwimmbad, vor jede geschlossene Bibliothek, ein Schild stellen: diese Institution wurde geschlossen wegen der Zockerei an den Finanzmärkten.

Können die SPD-Fraktionen natürlich tun. Daneben sollten sie dann allerdings Schilder stellen, wie sie Ende der 90er Jahre und Anfang des Jahrtausends bei CBL-Geschäften und anderen undurchsichtigen Finanztransaktionen (plain-vanilla-swaps und ähnliches) abgestimmt haben.

Für diejenigen, die unter allgemeiner Politikerkrankheit leiden (Gedächtnis-Lücken, was eigene unvorteilhafte Entscheidungen in der Vergangenheit angeht), gibt es einen umfangreichen Artikel zum Nachlesen bei der ZEIT.

Besonders schön finde ich folgenden Satz:

Die Kommunen seien keine Opfer der Finanzkrise, sondern Akteure, glaubt der Kölner CBL-Experte Rügemer. „Sie haben solche Finanzprodukte mit ermöglicht, die, genauso wie die faulen amerikanischen Hypothekenkredite, zu dieser Finanzkrise geführt haben.“

Vielleicht habe ich Herrn Ude aber auch nur falsch verstanden und er möchte einfach, dass sich die Gemeinderäte proaktiv selbst an den Pranger stellen. In diesem all ziehe ich alles zurück und beglückwünsche Herrn Ude zu dieser Ehrlichkeit. Chapeau! Man sollte das dann zur Klarstellung vielleicht so beschriften:

diese Institution wurde geschlossen wegen unserer Zockerei an den Finanzmärkten.

SPD für Einführung einer flat-tax

sie nennt es halt anders.

Bei der SPD läuft das ganze unter dem Stichwort „solidarische Bürgerversicherung“.

Jeder zahlt Beiträge nach Höhe seines Gesamteinkommens

Aus den diversen Publikationen der SPD lässt sich leider nicht entnehmen, ob:

  • die SPD damit auch die bisher sozialversicherungsfreien Nacht- und Sonntagszuschläge in die Berechnung einführen möchte,
  • es neben einer Einkommensteuererklärung zukünftig auf eine Krankenversicherungserklärung geben wird oder bspw. der Vermieter das ganze monatlich selbst machen muss,
  • auf Einnahmen, bei denen es keinen Arbeitgeber gibt, der volle Satz von derzeit 14,9% fällig wird, oder man als Zinsempfänger nur den “AN-”Anteil von 7.9% zu zahlen hat,
  • der Beitrag auch fällig wird, wenn die Einnahmen zwar fliessen müssten, das ganze aber nicht der Fall ist (bspw. weil der Mieter keine Miete zahlt),
  • allgemein steuerfreie bzw. pauschal vom AG versteuerte Einnahmen auch zur Beitragsbemessung herangezogen werden (bspw. der Sold bei ZDL, GWDL oder der Fahrtkostenzuschuss des AG, Jobtickets, Sachbezüge unter 44 EUR, Zuschüsse für Kinderbetreuung etc.),
  • zukünftig die Finanzämter für den Einzug des Krankenversicherungsbeitrags zuständig sind, weil die bereits jetzt schon die Höhe des Gesamteinkommens und die bezahlten Krankenversicherungsbeiträge kennen oder
  • jede Krankenkasse sich ein eigenes Abrechnungswesen für ihre Versicherten einrichten muss und die Höhe der Beiträge zu berechnen hat

Völlig unklar ist, auf wieviel hunderttausend neue Jobs in den Abrechnungsstellen die SPD durch diese Art der Beitragsberechnung hofft.