Das Bewusstsein bestimmt das zu Sein habende

Am 27. März 2011 sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg.

Die Jusos laufen sich schon mal warm, allerdings habe ich bei manchen Aussagen meine Probleme, sie mit der Realität in Einklang zu bringen.

Zum Beispiel hier:

Die Bildungspolitik ist die Kernkompetenz der Landespolitik. Auf diesem Feld hat die schwarz-gelbe Landesregierung in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten den Stillstand organisiert. [..]

Die LehrerInnen und SchülerInnen, die Studierenden und ProfesorInnen, die BetreuerInnen und jungen Eltern wünschen sich einen Aufbruch und einen Wandel in der Bildungspolitik im Land.

Aufbruch wovon?

Zum Beispiel von der eklatant hohen Quote von Schulabbrechern in Baden-Württemberg?

schulabgaenger-ohne-hauptschulabschluss

(Quelle: Statistisches Landesamt)

Oder vielleicht von der exorbitant hohen Quote von jugendlichen Arbeitslosen?

jugendarbeitslosigkeit-baden-wuerttemberg

(Quelle: s.o.)

Vielleicht liegt es aber auch am skandalös niedrigen Anteil von MINT-Absolventen an baden-württembergischen Hochschulen?

mint-absolventen-baden-wuerttemberg

(Quelle: s. o.)

Es läuft im baden-württembergischen Bildungs-System sicherlich nicht alles rund.

Wie man aber auf „jahrzehntelangen Stillstand“ kommt, erschliesst sich wohl nur, wenn das Bewusstsein, dass CDU und FDP nie im Leben ein gutes Bildungssystem auf die Beine stellen können, dafür sorgt, dass man die Realität durch eine dunkelgraue Brille sieht. Oder um Pippi Langstrumpf zu zitieren: „ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“

Landtagswahlen in Baden-Württemberg: Wahlprognose

Infratest Politikforschung hat im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion eine Umfrage zur Landtagswahl am 27. März 2011 durchgeführt. Die Ergebnisse gibt es unter anderem bei Wahlrecht.de.

Die Ergebnisse in nackten Zahlen:

Partei
Prognose
CDU 37 %
SPD 25 %
Grüne 20 %
FDP 7 %
Linke 5 %
Sonstige 6 %

Je nachdem, ob die Linke in den Landtag kommt oder nicht, ergäbe sich dann vermutlich folgende Stimmenverteilung im neuen Landtag (aufgrund der zahlreichen Überhangmandate für die CDU hätten wir bei einem Einzug der Linken vermutlich den grössten Landtag Baden-Württembergs aller Zeiten).

Wenn die Linke es schafft:

landtag-bw-mit-linken


Falls die Linke die 5%-Hürde nicht schafft:

landtag-bw-ohne-linke

Es sind nur Umfragen, die Wahl ist erst in 8 Monaten und es gibt aufgrund des Wahlrechts mit seinem Überhangsausgleich innerhalb der Regierungspräsidien durchaus Verschiebungen in die eine oder andere Richtung.


[UPDATE]

aktuellere Wahlprognosen gibt es hier:

[/UPDATE]

Mal wieder was zur Bildungspolitik

Als ich heute morgen zum Bäcker lief, kam mir eine Sau mit der Aufschrift „Baden-Württemberg ist Spitze im Aussortieren“ entgegen. Während ich mich noch verwundert nach ihr umblickte, wurde ich von einer Horde Jusos überrannt, die anscheinend Gefallen daran gefunden hatten, sie durchs Dorf zu treiben.

Sie hatten T-Shirts an, auf denen stand:

Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und schulischem Erfolg ist für uns Jusos und SozialdemokratInnen alarmierend. Wir fordern deshalb die Abschaffung des 3-gliedrigen Schulsystems, längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung von Kinder egal welcher Herkunft.

Während ich das mit der individuellen Förderung von Kindern voll unterschreiben kann, bin ich bei den anderen Forderungen ein bisschen vorsichtiger. Und zwar, weil ich die KESS 4-Studie gelesen habe. Eine der unzähligen Studien zur Bildungslandschaft Deutschland, aus der wieder jeder nur das herausliest, was im persönlich in den Kram passt, während er alle anderen Dinge ignoriert oder durch kreative Auslegung in ihr Gegenteil zu verkehren sucht. Wenn das jeder macht, dann darf ich das auch. Die Studie ist verlinkt, jeder darf sich dran probieren 🙂

Zur Studie selbst:

Mit der Untersuchung KESS 4 (‚Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern – Jahrgangsstufe 4‘) werden an der Gelenkstelle zwischen Primar- und Sekundarschulwesen Aspekte erreichter Lernstände Hamburger Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Klassenstufe sachlich bilanziert.

Während man sich normalerweise auf die Durchschnittswerte konzentriert, möchte ich den Blick an den unteren und oberen Rand richten.

Zum Beispiel in der Lesekompetenz.

Wenn man sich nun anschaut, wieviele Schüler nicht in die Kompetenzstufe II vorstossen können, entdeckt man folgendes:

Land

Anteil in Kompetenzstufe I

Baden-Württemberg
7,2 %
Brandenburg
14,2 %
Bremen
21,0 %

In Brandenburg liegt der Anteil der Schüler in Kompetenzstufe I doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg. Ich lasse jetzt Bremen mit einem dreimal so hohen Anteil an Schülern der Kompetenzstufe I aussen vor, weil es dann gleich wieder heissen würde: Grossstadt, viele Schüler mit Migrationshintergrund …

Das ist zwar alles irgendwie kein Grund, warum es die SPD, die seit 1946 durchgängig den ersten Bürgermeister stellt nicht schafft, daran was zu ändern, aber lassen wir das. Konzentrieren wir uns auf Brandenburg und Baden-Württemberg.

Die Kosten pro Grundschüler liegen in Baden-Württemberg ähnlich wie in Brandenburg bei 4000 EUR pro Jahr. Das kann es irgendwie nicht sein. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund liegt in Baden-Württemberg fast doppelt so hoch wie in Brandenburg. Das fällt als einfache Erklärung auch weg. Dass es in Brandenburg eine 6-jährige Grundschule gibt, in Baden-Württemberg nur eine 4-jährige kann ebenfalls nicht ins Gewicht fallen, so weit waren die getesten Schüler noch gar nicht. Die Klassengrösse, auch oft angeführt unterscheidet sich ebenfalls nicht besonders. In Baden-Württemberg liegt sich bei durchschnittlich 23,1 Schülern in Brandenburg bei 21,6.

Lassen wir die Gründe für den hohen Anteil schwacher Schüler mal aussen vor und schauen aufs andere Ende der Skala.

Land

Anteil in Kompetenzstufe IV

Baden-Württemberg
21,2 %
Brandenburg
13,9 %
Bremen
9,4 %

Wo es viele schwache Schüler gibt, scheint es wenig sehr gute Schüler zu geben. In der Mittelschicht (Kompetenzstufe II und III) befinden sich in allen drei Bundesländern ca. 70% der Schüler, die Ränder sind allerdings viel ungleicher verteilt.

Es geht hier wohlgemerkt um die Schüler der 4. Klasse. Da wurde noch nichts aussortiert, ausgesiebt, getrennt oder sonst etwas.

Wäre ich jetzt ein einfach strukturierter Mensch (es gibt viele, die behaupten ich sei einer), könnte ich auf die Idee kommen, dass die Schüler in SPD-regierten Bundesländern weniger lernen und die Schwachen die sehr Guten in ihrem Fortkommen beeinträchtigen. Aber ich weiß natürlich, dass es viele Gründe für diese Unterschiede gibt und dass es nicht immer die einfachen Antworten sind, die stimmen.

Allerdings scheinen mir die Antworten, die ich von der SPD höre auch nicht stimmiger zu sein als die anderen. Denn dann müsste sich doch langsam ein Erfolg zeigen. Gerade bei Grundschülern, die noch am Anfang ihrer Bildungskarriere stehen, sollte man doch relativ schnell Besserungen erkennen können.

 

np: supertramp – school

Charta der SPD zur Landtwagswahl 2011

Die SPD hat zur Landtagswahl 2011 eine Charta herausgebracht, die ich ein wenig kommentieren möchte.

Unser Land und seine Menschen sind in vielem längst weiter, als unsere bisherige Regierung das erkennen will. Deshalb stehen wir für eine Politik, die erst mal zuhört, statt immer nur zu bestimmen. Für eine Politik, die Antworten gibt, statt Phrasen zu produzieren. Für ein soziales und modernes Baden-Württemberg.

Das mit dem Zuhören klappt ja zum Beispiel bei Stuttgart 21 schon ziemlich gut. Aber nach dem Zuhören kommt halt noch das Verstehen und das Umsetzen.


Dafür stehen unser Spitzenkandidat Nils Schmid, unsere Kandidatinnen und Kandidaten – aber auch unser gesamter Wahlkampf. Diese Charta definiert seinen Sinn und seinen Stil.

1. Weder führen wir einen plumpen Angriffs- noch einen beschönigenden Leistungsbilanzwahlkampf. Unser Landtagswahlkampf ist ein Substanzwahlkampf.

Wie war das noch gleich mit den Phrasen? Was ist denn bitteschön ein Substanzwahlkampf? Wenn man sich die Leistungsbilanz Baden-Württembergs und die letzten Wahlkampagnen der SPD anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass die SPD eingesehen hat, dass sie weder mit den Plakaten zum Thema Finanzhaie, Dumpiglöhne oder heisse Luft, noch mit einem Schlechtreden der Bilanz Baden-Württembergs punkten kann. Darum mal was neues. Substanz.


2. Anders als unsere politischen Gegner nehmen wir die Wählerinnen und Wähler ernst. Das heißt: Wir führen einen Wahlkampf frei von Phrasen, künstlichen Bildwelten, Inszenierungen und sonstigen Reklametricks. Wer auf solche Mittel zurückgreift, betrachtet die Menschen als manipulierbare Masse – und damit als Stimmvieh.

Das ist natürlich weit entfernt davon, ein plumper Angriffswahlkampf zu sein. Die anderen wollen nur die Stimme, die SPD will, ja was eigentlich?


3. Von uns wird es kein Werbemittel geben ohne Substanz. Kein Plakat, kein Spot ohne Botschaft und keine Botschaft ohne konkrete Erläuterung. Dafür erfinden wir die politischen drei Zeilen: verständlich und kompetent, aber wie gesagt phrasenfrei.

Da bin ich mal gespannt. Das bin ich wirklich. Dummerweise eignen sich Wahlplakate nicht so richtig dazu, eine Botschaft mit konkreter Erläuterung zu transportieren. Aber vielleicht geht ja die Werbeagentur neue Wege. Ich wäre erfreut, wenn sich die SPD-Plakate von dem Einheitsdauergrinsen der anderen Parteien unterscheiden würde.


4. Unser Wahlkampf ist Dialog. Auf den Straßen, an den Türen, im Internet, aber eben auch in unseren Plakaten und Anzeigen. Wir greifen auf, was die Menschen bewegt, und vermitteln dann unsere Haltung zu diesen Themen. Glaubwürdiger, vertrauenswürdiger, als es einzelne Schlagworte je könnten.

So sieht echter Dialog aus.


5. Unser Wahlkampf zeigt ausschließlich authentisches Bildmaterial aus Baden- Württemberg, das eigens dafür im Land fotografiert wird. Menschen und Szenerien, die nicht aus Bildkatalogen kommen, sondern aus dem echten Leben.

Das ist mir auch unheimlich wichtig. Authentisches Bildmaterial. Vielleicht wähle ich nächstes Jahr doch SPD.


6. Natürlich gilt das auch für unsere Kandidatinnen und Kandidaten. Sie sind die Gesichter der SPD. Berechnend lächelnde Politiker sind so durchschaubar wie solche mit Telefon am Ohr. Die SPD präsentiert in diesem Wahlkampf echte Persönlichkeiten und Charaktere.

Echte Persönlichkeiten, die so wenig Glauben an sich selbst haben, dass sie den Wahlkreis wechseln, um einen sicheren Platz im Landtag zu ergattern? Dass der Spitzenkandidat der SPD Nils Schmid von Nürtingen nach Reutlingen geflüchtet gewechselt ist, hat vermutlich gar nichts mit Berechnung zu tun.


7. Drei schwarze Löwen zieren das Wappen Baden- Württembergs. Einen leihen wir uns aus. Er steht für unseren Gestaltungsanspruch im Land.

Das habe ich jetzt nicht so ganz verstanden. Aber da die SPD ja keine Phrasen mehr produzieren will und jede Botschaft mit einer konkreten Erläuterung versieht (siehe Punkt 2 und 3), bin ich vermutlich einfach nur zu dumm, das mit den Löwen, dem Ausleihen und dem Gestaltungsanspruch zu verstehen.


8. Für den Wahlkampf starten wir eine spezielle Website, die für interessierte Bürger konzipiert wird und nicht aus der Innensicht einer Partei heraus. Unser Zentrum für echte Dialoge mit den Menschen – mit den überzeugten und mit den noch nicht überzeugten. Unsere Adresse lautet deshalb „www.WarumSPD.de“.

Ich bin gespannt.


9. Wir wollen nicht nur einen anderen Stil in der Politik im Land, wir setzen ihn auch in unserem Wahlkampf um. Die Menschen in Baden-Württemberg werden dies honorieren. Denn wir sind die Einzigen, die ihnen mit Substanz begegnen – also mit Respekt.

Ich verstehe es nicht. Aber wenn die Sozis die einzigen sind, die mir mit Substanz und Respekt begegnen, dann wähle ich sie nächsten März.


Ganz sicher.


Kein Scheiss.


Echt jetzt.


Wirklich.


np: fettes Brot – können diese Augen lügen

Julis in Ba-Wü möchten Wahlrecht ändern

Die Jungen Liberalen in Baden-Württemberg möchten das Landtagswahlrecht ändern.

http://www.julis-bw.de/node/1240

Die FDP/DVP Baden-Württemberg setzt sich für eine Reform des Landtagswahlrechts zu einer personalisierten Verhältniswahl mit zwei Stimmen ein, das sich am Bundeswahlrecht orientiert. Mit der Landesstimme(„Zweitstimme“) wählt der Wähler demnach eine geschlossene Parteiliste.

Auf den ersten Blick sieht das ganze (gerade für Parteien jenseits der CDU) verführerisch aus.

Bei einer Landesliste

  • kann der Proporz viel besser erreicht werden, zwischen Männern/Frauen, Alten/Jungen, Badnern/Schwaben …
  • liegt die Zusammensetzung der Fraktion beim Landesparteitag (mit einem hohen Anteil altgedienter Parteimitglieder) und nicht bei 70 Wahlkreisversammlungen, die teilweise nur saumässig schlecht besucht waren/sind (des öfteren lag die Anzahl der Wahlberechtigten unter 20)
  • man ist als Kandidat nicht so sehr davon abhängig, wen die politische Konkurrenz im Wahlkreis aufstellt
  • auch Kandidaten aus Diaspora-Gebieten (für die SPD z.B. ganz Baden-Württemberg mit Ausnahme von Mannheim I) haben eine Chance, in den Landtag zu kommen
  • gerade in knappen Wahlkreisen spielt die Lagerproblematik keine Rolle (man könnte als FDP-Anhänger in Mannheim I den CDU-Abgeordneten mit seiner Erststimme und die FDP mit der Zweitstimme wählen).

Auf der anderen Seite gehen viele Möglichkeiten der Einflussnahme der Basis verloren. Die politische Einflußmöglichkeit würde ebenso wie auf Bundesebene darauf beschränkt, 2 5 Mitglieder für den Landesparteitag bzw. zur Landesvertreterversammlung zu wählen und ansonsten noch einen chancenlosen Direktkandidaten zu nominieren. Dessen Erfolg hängt einzig davon ab, wie weit nach oben er es in die Landesliste schafft, das Wahlkreisergebnis ist nebensächlich. Man erschafft damit Abgeordnete, die ihr Mandat nicht dem Wähler (dass sind die, die kurz vor der Wahl immer als Souverän bezeichnet werden und von denen gemäß diesem komischen Grundgesetz alle Staatsgewalt ausgeht) verdanken, sondern einzig der Partei. Das kann man gut finden, muss man aber nicht.

Wenn man sich die letzte Bundestagswahl im Wahlkreis Ravensburg anschaut, dann hat der Direktkandidat dort 14,1% der Erststimmen geholt, stand allerdings nur auf Platz 36 der Landesliste. Das hat nicht gereicht.

Der Direktkandidat aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Stadt hat 8,4% der Erststimmen auf sich vereinigen können, allerdings hat es bei ihm aufgrund des Listenplatzes 15 noch mit einem Einzug in den Bundestag geklappt. Für Freiburg und Mannheim gilt das gleiche. Um in Baden-Württemberg ein nicht durch die Landesliste abgesicherter Erstkandidat für die FDP bei einer Bundestagswahl zu werden, braucht es sehr viel Zeit, Geld und Enthusiasmus. Ein überdurchschnittliches Erststimmenergebnis wird bei der Aufstellung der nächsten Landesliste nämlich weder automatisch noch manuell berücksichtigt. Da kommt es nur darauf an, aus welcher Region man kommt und ob es bekanntere oder bereits im Bundestag sitzende FDP-Mitglieder gibt, die den Platz beanspruchen.

Die FDP wird von vielen als Partei wahrgenommen, die man auf Bundes- und Landesebene wählen kann, darunter spielt sie in vielen Regionen keine Rolle. Wenn man sich die Zahlen der Kommunalwahl 2009 und die der gleichzeitig stattfindenden Europawahlen anschaut, dann sieht man eine grosse Stimmdiskrepanz. Bei den Kreistagswahlen erreichte die FDP 7,8%, bei den Gemeinderatswahlen 6,2% und bei den Europawahlen 14,1%. Das nur darauf zu schieben, dass die FDP eben eine kleine Partei ist, die in kleinen Parlamenten unterrepräsentiert ist, wird durch die Tatsache widerlegt, dass die Grünen im Vergleich zu den 15,0% bei der Europawahl mit 10,3% bei den Gemeinderatswahlen und 11,7% bei den Kreistagswahlen erheblich weniger Wähler beim Wechseln der Stimmzettel verloren haben, als die FDP.

Wenn man der Basis jetzt noch die Möglichkeit nimmt, Kandidaten für den Landtag zu nominieren in dem man das ganze auf eine (für das einfache FDP-Mitglied)relativ anonmye Versammlung in Stuttgart (oder wo auch immer sie tagt) deligiert, könnte die Lust auf die Mitarbeit weiter schmälern

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass sich die FDP auf ihre Kernkompetenzen besinnen sollte und das politische Geschäft den Profis überlässt, die jetzt in ihrer 6. Wahlperiode (Birgit Homburger) bzw. 4. Wahlperiode (Dirk Niebel, Ernst Burgbacher) im Bundestag sitzen.

Dann besteht meines Erachtens aber die Gefahr, dass der Unterbau komplett wegbricht.

Die FDP ist nicht so tief in der Gesellschaft verankert und geht wie alle Parteien durch Hochs (wenn gerade die politische Konkurrenz regiert) und Tiefs (wenn sie selbst am regieren sind). Allerdings geht es bei der FDP oft darum, den Einzug ins Parlament überhaupt zu schaffen.

Ende der 90er Jahre war die FDP in den Landesparlamenten von Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachen-Anhalt und Thüringen nicht vertreten und hatte 6,2% Zweitstimmen bei der Bundestagswahl. Dann kam rot-grün und schwarz-rot. Momentan sitzt die FDP wieder in 15 von 16 Länderparlamenten, ist an 7 Landesregierungen beteiligt, hat ein Zweitstimmenergebnis von 14,6% bei der letzten Bundestagswahl erreicht, sitzt in der Bundesregierung und befindet sich umfragetechnisch in einem der tiefsten Täler der letzten 20 Jahre.

Für den Hype und den einmaligen Wahlerfolg sind sicher die Politprofis wie Westerwelle, Homburger und Niebel verantwortlich. Dafür, dass sich die FDP dauerhaft oberhalb der 5%-Hürde etabliert, braucht es die Basis. Der die Illusion der Beteiligung zu nehmen könnte sich auf lange Sicht als schädlicher erweisen als Steuererhöhungen oder Umsatzsteuersenkungen für Hotelübernachtungen.